Burnout – Krise oder Chance?
Nachdem in letzter Zeit der Begriff
“Burnout” immer populärer zu werden scheint, und sich
Diskussionen um den Begriff bzw. das Phänomen des Ausgebrannt seins
vermehren, möchte ich einen kleinen Einblick aus meiner Sicht als
Heilpraktikerin, Krankenschwester und „Betroffene“ schildern.
Das Ausgebrannt sein als Zustand
ausgesprochener emotionaler Erschöpfung mit reduzierter
Leistungsfähigkeit – so schreibt Wikipedia. Doch – wie kommt man
in diesen Zustand? Was macht man „falsch“, dass man in dieser
Ecke landet und meistens aus eigener Kraft keinen Ausweg mehr findet?
Denn – gerade die Kraft fehlt ja – für alles…
Wie schon angedeutet – ich habe
diesen Zustand erlebt.
Und – ich konnte mich selbst daraus
befreien, ...was allerdings nur funktioniert hat, weil ich mich vorher durch meine Aus- und Weiterbildungen im ganzheitlichen und spirituellen Gebiet intensiv mit manchen Verhaltensweisen, Glaubenssätzen und Möglichkeiten auseinandergesetzt hatte. Scheinbar wollte ich unbewusst erfahren, ob ich im Ernstfall auch fähig bin auf diese Erkenntnisse zuzugreifen. Zu meinem großen Glück war ich das – doch der Weg dahin war lang und schmerzhaft.
Erneut ein kurzer Auszug aus Wikipedia:
„Das Burnout-Syndrom ist
wissenschaftlich nicht als Krankheit
anerkannt, sondern gilt im ICD-10
als ein Problem der Lebensbewältigung,
während es vom Diagnostic
and Statistical Manual of Mental Disorders
als Form von Depression aufgefasst wird. Es handelt sich um eine
körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund
beruflicher Überlastung. Diese wird meist durch Stress
ausgelöst, der wegen der verminderten Belastbarkeit nicht bewältigt
werden kann.[„
Aha – das Burnout ist ein „Problem“,
das wegen verminderter Belastbarkeit nicht bewältigt werden kann.
Also – der Ausgebrannte… hat ein Problem und ist nicht fähig es
wieder geradezubiegen. Er ist „selber schuld“ weil er „unfähig“
ist. Ich nehme jetzt einfach mal an, dass viele der Betroffenen und
auch der Außenstehenden es so oder ähnlich werten. Also – es ist
eine Schande… man ist unfähig… und kaum mehr wert ein Mitglied
dieser Gesellschaft zu sein. Schließlich kriegt man eh nix hin. Man
blickt um sich und sieht andere, in der „gleichen“ Situation, die
scheinbar kein Problem haben zu scheinen. Die mit den Umständen, dem
Stress, dem Druck scheinbar mühelos umgehen können – also…
holla… liegt das Problem wohl wirklich bei einem selbst. Fehler –
Mangelware – ungenügend für den Job oder die Position die man
gerade innehat.
Die andere Variante so wie ich es
kennengelernt habe, sind die Personen, die nie bei sich selbst suchen
und immer die anderen verantwortlich machen. Also – „alle wollen
mir nur Böses und egal was ich auch tue es ist falsch“.
Man bemüht sich noch mehr oder
beschwert sich noch mehr – und wird noch unfähiger… also – der
Beweis – man ist nicht fähig oder erwünscht und war es vermutlich
noch nie.
Jetzt die Frage dahinter: Ist das so?
Ist das der Regelkreis? Liegt der endgültige Zusammenbruch am Druck
oder Stress von außen? Oder am Druck und Stress den man sich
innerlich selbst macht?
Ich kann nur von mir sprechen – aber
ich habe andere miterlebt, die ähnliche Probleme hatten und bis an
die Grenze der Erschöpfung und des Zusammenbruchs gegangen sind –
und sehe inzwischen einiges mit anderen Augen.
Ja – das „Problem“ lag bei mir.
Es war nicht der Beruf, die Kollegen oder die Umstände. Soviel als
Kernaussage. Was aber nicht bedeutet, dass ich unfähig oder zu weich
war. Eher das Gegenteil. Mein Anspruch an mich selbst war völlig
überzogen. Und ich war „leider“ viel zu stark und zu ausdauernd
um früher zusammenzubrechen. Deshalb hat sich das Ganze sehr lange
Zeit lassen können um völlig auf die Spitze getrieben zu werden.
Ich habe mich unter diesen Druck
gesetzt um mir – und natürlich auch allen anderen – zu beweisen
dass ich es wert bin an dieser Stelle zu stehen. Und hier kommt ein
für mich sehr wichtiger Punkt an die Oberfläche – der Selbstwert.
Ehrgeiz. Durchhaltevermögen. Jemand der nicht ungeheuer belastbar
ist, schafft es meiner Ansicht nach gar nicht „auszubrennen“.
Weil das Zeit braucht. Weil es anstrengend ist, dem Druck solange
stand zu halten, bis man sich selbst endlich die Erlaubnis gibt
„gepflegt zusammenzubrechen“. Schließlich gibt man doch nicht
einfach so klein bei. Nein – da müssen schon schwerere Geschütze
her. Schließlich hat man einen Ruf zu verlieren.
Andere dürfen krank sein, dürfen
Schwächen zeigen, dürfen Tagesformen haben, die variieren. Aber man
selbst. Oh nein – nie im Leben! Lieber strengt man sich noch ein
bisschen mehr an, übernimmt die Arbeiten von anderen mit – um
diese zu entlasten – die halten das sonst nicht durch, und
überlastet sich selbst mehr und mehr. Und hier beginnt langsam der
Teufelskreis. Das Umfeld sieht dieses Verhalten – und springt
natürlich darauf an. „Hier wäre noch etwas Zusätzliches zu
erledigen – na komm, Du schaffst das doch. Das kann doch keiner so
zügig und kompetent – das machst Du doch. Die anderen wehren eh
nur ab – ach komm, das geht schon noch.“ So oder ähnlich der
Teufelskreis den ich erlebt habe. Und ich klage niemanden an –
beileibe nicht. Weil – immer zwei Parteien in so einem Spiel
mitspielen – und solange ich es zulasse, bin ich nicht mehr oder
weniger „schuld“ als der andere Mitspieler.
Hier kommt dann der nächste
interessante Begriff: Abgrenzung oder Eigenschutz. Jemand der die
Tendenz dazu hat, sich für andere einzusetzen, andere zu schützen
und auch die Tendenz seine eigenen Grenzen nicht zu erkennen und
einzuhalten, oder im richtigen Moment auch zu verteidigen, wird
einfach überrannt. Von Aufgaben, Verantwortungen und auch von
Anklagen oder dem Unmut der anderen. Was passiert – man bezieht es
wieder auf sich selbst – bemüht sich noch mehr es „allen recht
zu machen“ und rutscht tiefer und tiefer in die Abwärtsspirale.
Irgendwann ist das Ganze ein Selbstläufer aus dem scheinbar nur der
körperliche oder psychische Zusammenbruch „retten“ kann. Dann
ist man entschuldigt, dann hat man einen legalen Grund für Freizeit
oder dafür dieser stressbelasteten Situation zu entrinnen und
vielleicht auch noch den kleinen Trumpf in der Hinterhand ab jetzt
die anderen noch mehr verantwortlich zu machen für die eigene
„Erkrankung“.
Warum setze ich Erkrankung in
Anführungszeichen? Weil in meinen Augen jegliche Krankheit oder
Symptomenkomplex wie auch das Burnout ein seelischer Hilfeschrei ist.
Die Person hat so lange nicht auf eigene Bedürfnisse geachtet, die
Warnsignale des Körpers und der Psyche ignoriert und nichts am
Verhalten oder Verständnis geändert, bis dem Körper nichts anderes
übrig bleibt als den „Not-Aus-Schalter“ zu drücken – den
Zusammenbruch herbeizuführen.
Weiterhin – diese Person ist nicht
„schuldig“ oder „unfähig“ in meinen Augen (obwohl ich mich
lange so gefühlt habe). Es werden schlichtweg uralte Glaubenssätze
umgesetzt, auf höchstem Niveau. Und ich konnte meine Glaubenssätze
finden und umstellen, zum Glück.
Sätze wie „was nicht anstrengend war
ist nichts wert“, „Arbeit ist schließlich kein Zuckerlecken“,
„etwas nicht zu schaffen heißt komplett versagt zu haben“ kennen
vermutlich auch andere als ich. Oder auch seinen eigenen Wert über
die Anerkennung von außen zu suchen, ist meines Erachtens leider
völlig normal inzwischen. Schließlich leben wir aktuell in der Ära
von „mein Haus, mein Auto, mein Pferd“ – also nur was man nach
außen vorweisen kann, höher, schneller, teurer als das vom
Nachbarn, ist etwas „wert“. So scheinen viele zu denken und zu
fühlen. In einer Gesellschaft in der schon Kleinkinder schief
angeschaut werden, wenn sie keine Markenkleidung tragen. Schade
eigentlich.
Anerkennung durch Erfolg – wie viele
betteln nicht heimlich durch ihren beruflichen Erfolg darum, dass sie
endlich wertgeschätzt werden, anerkannt und geliebt? Höher,
schneller, weiter – seht her was ich kann, ist das nicht toll? Auch
das, meiner Ansicht nach, ein Zeichen dafür, dass dieser Mensch
seinen Wert selbst nicht kennt und sehen kann – und auf diese Weise
nach außen versucht sich „wertvoll“ zu machen oder zu fühlen.
Wer sagt, dass Arbeit nicht leicht und
freudig sein darf? Wer sagt dass man sich nicht einfach darauf freuen
darf, täglich zur Arbeit zu gehen und dort sein Bestes zu geben,
ohne Druck? Wir sind es nur nicht mehr gewöhnt. Und wer beim
Arbeiten lächelt, ist doch schon fast suspekt.
Wer sagt, dass es schlecht ist, seinen
eigenen Wert zu erkennen und auch wertzuschätzen? „Eigenlob
stinkt“ – jaja… das hat auch nichts damit zu tun, dass ich mich
vor anderen produzieren muss, aber wer seinen Wert kennt – muss
nicht mehr in diese Opfer-Täter-Falle rutschen. Ein jeder ist
wertvoll! Egal welchen Job er macht, wie viel er verdient oder wie er
aussieht. Niemand ist „besser“ oder „schlechter“ als der
andere – und wenn wir das endlich verstehen könnten, wäre es auch
sinnlos, weiterhin zu konkurrieren. Wenn Menschen einfach sein
dürften wie sie sind, und ihre Fähigkeiten ausleben ohne in ein
bestimmtes Schema gesteckt zu werden – würde sich der Druck den
man sich selbst macht, um mithalten zu können, vermutlich deutlich
reduzieren. Dann müsste auch niemand „ausbrennen“. Wenn innere
Qualitäten und Menschlichkeit wieder mehr wert wäre als der große
Wagen und die Visitenkarte – wäre ein Zusammenleben und –arbeiten
wieder leichter und angenehmer. Und wenn wir wieder unsere
Fähigkeiten schätzen und nutzen lernen – und die Vielfältigkeit
derselben zu schätzen wissen – raus aus dem „Uniformen“ hin
zur Abwechslung – würde sich vermutlich auch das Problem Burnout
deutlich reduzieren.
Vielleicht ist meine Sicht der Dinge
etwas utopisch oder zu sehr durch die rosarote Brille gefärbt. Ich
denke aber nicht. Ich möchte durch meine Worte niemanden anklagen
oder angreifen – sondern nur meine Sicht und Erfahrungen
darstellen. Und – ja, es ist möglich aus diesem Teufelskreis
gestärkt und mit neuer Kraft und Mut hervorzugehen. Es braucht aber
Zeit, Geduld und sehr viel Mitgefühl mit sich selbst. Zuzugeben dass
man „nicht alles schafft“ und auch „Hilfe annehmen darf“ ist
nicht einfach. Aber es ist wertvoll und der erste Schritt zurück
Freude am Leben und im Beruf zu haben.
Eingesandt durch: Petra Schlötzer, www.alles-darf-sein.de
Bildquelle: 4freephotos.com
Danke für Dein Vertrauen, uns an dieser sicherlich nicht guten Erfahrung teilhaben zu lassen. Immer wichtig, sehr genau auf sich selbst zu achten!
AntwortenLöschenHallo Simone,
Löschendanke für Deinen Kommentar.
Mir ist vor allem wichtig, andern zu zeigen, dass es wichtig ist über Probleme zu sprechen und sich nicht allein zu verstecken. Jeder schleppt irgendetwas mit sich herum - und fühlt sich alleine damit, traut sich aber auch nicht den Anfang zu machen.
Ich kann inzwischen ohne große Probleme den Anfang machen - von meinen Erfahrungen und Schwierigkeiten zu erzählen... und von meiner Art damit umzugehen. Und einigen scheint es durchaus auf ihrem eigenen Weg schon weitergeholfen zu haben - darüber bin ich glücklich und das zeigt mir dass ich auf dem für mich richtigen Weg bin.
Petra